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WEITblick

Update Religion. Wie interreligiöse Gespräche gelingen können

Diskriminierung und Religion ist ein viel diskutiertes Thema, das nach den verbrecherischen Anschlägen in Paris, London und anderswo in der medialen Öffentlichkeit häufig undifferenziert diskutiert wird. Die Zoom-Veranstaltung in der Reihe Update Religion unterschied sich davon wohltuend.
Ausgabe

2 - Mai 2021

Autor*innen

Wolf Südbeck-Baur

Update Religion

"Rassismus, der in uns allen steckt."

Mit dieser Beobachtung, ausgeführt am Beispiel des diskriminierenden Begriffs »Gstampfte Jud«, ein Ausdruck der früher in der Schweizer Armee benutzt wurde für Corned-beef in Dosen, eröffnete die Judaistin Valérie Rhein ihren Impuls beim kürzlichen Zoom-Treffen in der Reihe Update Religion. Dieser hatte den Fokus auf das Thema «Religion und Diskriminierung» gelegt. Unter der umsichtigen Moderation von der früheren Studienleiterin Tania Oldenhage hatten sich auf diese Initiative des Basler Forums für Zeitfragen drei interreligiöse Gesprächsgruppen und Interessierte um den (Zoom-) Bildschirm versammelt. Ethnologin Lilo Roost-Vischer sprach von einer »Banalisierung des Islam«, die zu verletzenden Erfahrungen führe. Gerade in umstrittenen Fragen etwa zur Gleichstellung der Geschlechter oder im Blick auf das Thema gleichgeschlechtliche Sexualität sei sensible Achtsamkeit und ein sorgfältiger Umgang mit entsprechenden Passagen heiliger Schriften hilfreich – und das neue Gesetz, nach dem Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung eines Menschen seit dem 1. Juli 2020 strafbar ist. Roost-Vischer, die zudem Vize-Präsidentin des Stiftungsrats des Zürcher Instituts für Interreligiösen Dialog ZIID ist, ermunterte dazu, dieses Gesetz gleichsam als ultima ratio in Anspruch zu nehmen und zu nutzen, wenn im Streitfall anders keine Wiedergutmachung zu erreichen sei.


Ein diskriminierender Generalverdacht

Vor dem Hintergrund zahlreicher Anschläge in Paris und anderen Städten fragte Politikwissenschaftler Ali Sonay, was diese Verbrechen für die Gesellschaft bedeuteten und wie Muslime zu betrachten seien. Er verwies auf Erfahrungen des diskriminierenden Generalverdachts, der Muslime zwinge, sich immer wieder von Neuem distanzieren und positionieren zu müssen. Die gängigen Begriffe seien mehrdeutig. Daher «sind klarere Benennungen der Vorstellungswelten nötig», die hinter dem Tun der Täter stecken.


Die Rolle der Medien

Zur Rolle der Medien stellte Sonay kritisch fest, dass sie vornehmlich mit der Sichtbarkeit von Symbolen und von Radikalisierung arbeiteten. Zentral sei, ein alternatives Narrativ aufzubauen, das wie selbstverständlich davon ausgeht, dass Muslime zur Gesellschaft dazugehören wie alle anderen auch. Es «ist gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Medien, mehr von Alltagsszenen aus dem Leben nicht-christlicher Gemeinschaften zu berichten», so Sonay weiter.


Als das Plenum – 44 Interessierte hatten sich bei dem Zoom-Meeting eingeklinkt – auf den Wert der Bildung, auf Empathie und persönliche Reflexion zu sprechen kam, wies Lars Wolf, Lehrer und einer der drei interreligiösen Gesprächsgruppenleiter, darauf hin, dass bereits «Schülerinnen und Schüler der Primarstufe auf Augenhöhe diskutieren». Sie seien in ihrer Kompetenz, Diversität als einen positiv bereichernden Wert zu entwickeln, bereits in einem entsprechenden Unterrichtsrahmen sehr gut unterwegs. Daher appellierte der erfahrene Pädagoge begeistert und engagiert, die Jugendlichen in den Schulen mit entsprechenden Lernmodellen mitzunehmen und zu fördern. So seien etwa die Begriffe «richtig und falsch» implizit bereits eine Bewertung, die im schulischen Alltag allgegenwärtig sei. Statt von richtig und falsch zu reden, schlägt Wolf vor, im faktisch interreligiösen Religionsunterunterricht eher von «es gibt ein für mich plausibel und ein für dich plausibel» zu sprechen. Religionslehrerin Sonja Moresi plädierte dafür, den Religionsunterricht für Friedensarbeit zu nutzen.


Eigene Religion wird hinterfragt

Zum Stichwort «interreligiöse Gesprächsgruppen»: Der noch junge Schwerpunkt religionen_lokal findet in Basel und Umgebung regen Zuspruch. Inzwischen sind unter der Federführung des Forums für Zeitfragen drei interreligiöse Gesprächsgruppen entstanden, um gemeinsam «die Vielfalt und Schönheit der Religionen» zu entdecken. Sie «hinterfragen die eigene Religion und Tradition» und «reden miteinander, nicht übereinander», wie es in den Leitsätzen heisst. Getragen werden die für weitere Interessierte offenen Gesprächsgruppen von der Einsicht, dass «religiöse Identität sich in einer multioptionalen Gesellschaft oft anders als vermutet» gestaltet. Darum schaut religionen_lokal hinter die Kulissen. Inputs, Podien und Gesprächsrunden wie das Update Religion sollen anregen, den Horizont zu öffnen, kontroverse Meinungen offenzulegen und miteinander ein Gespräch auf Augenhöhe zu führen.


Verantwortet wird religionen_lokal vom Forum für Zeitfragen, den Christlich-Jüdischen Projekten CJP, der Basler Muslim Kommission und der Kirchgemeinde Gundeldingen-Bruderholz. Das Update Religion zum Thema Diskriminierung und Religion kann als Beispiel für ein gelingendes interreligiöses Gespräch gelten. Weitere Interessierte sind herzlich eingeladen, sich einer interreligiösen Gesprächsgruppe anzuschliessen. Sie können sich bei Studienleiter Andreas Möri vom Forum für Zeitfragen informieren unter 061 336 30 36, andreas.moeri@erk-bs.ch oder auf der Website: www.forumbasel.ch.

*Wolf Südbeck-Baur ist Redaktor des aufbruch, der unabhängigen Zeitschrift für Religionen und Gesellschaft. Er lebt und arbeitet in Basel.